Hinrich, Christian O h r t , Uhrmacher
in Eutin von 1804 – 1862
Begründer der Wöbser – Eutiner Linie

Neumünster, den 15.Mai 1935

Der Anregung unseres Vetters Walter Ohrt folgend erzähle ich unter Zuhilfenahme zweier Chroniken von meinem Großvater Hinrich Christian Ohrt, der von unserem verehrten Forscher Christian Ohrt in Schleswig richtig als der Begründer der
E u t i n e r Linie bezeichnet ist. Ich hoffe, dass meine kleine Erzählung etwas Anklang finden wird; sie soll zeigen, wie durch Fleiß und Tatkraft, verbunden mit Begabung, unsere Vorfahren geschaffen haben und vorangekommen sind und bei kleinen Verhältnissen und einer großen Reihe von Kindern den Besuch guter Schulen ermöglichten und sie so in gehobene Stellungen gebracht haben.

Mein Großvater:
Hinrich
Christian O h r t , geb 12.12.1777 in Wöbs
gest. 21.04.1862 in Eutin

war ein Sohn des Vollhufners in Wöbs
Detlef Christian O h r t , geb. 14.01.1743 in Liensfeld
gest. 08.03.1791 in Wöbs

Es ist bemerkenswert, dass dieser Hinrich Ohrt und ein jüngerer Bruder,
Hans Joachim, ein Kunsthandwerk erlernten, wo sie doch aus einer jahrhundertalten Bauernfamilie stammten. Hinrich wurde Uhrmacher (in Eutin), Hans wurde Goldschmied
(in Ahrensbök).
Im Jahre 1804 wurde Hinrich Ohrt von der „Hochfürstlich Lübeck`schen Regierung"
gegen Leistung einer Kaution in der Stadt Eutin als Bürger mit der Erlaubnis aufgenommen, seine erlernte Kunst daselbst auszuüben.

Sein erster Geschäftsbrief, von ihm selbst als solcher bezeichnet, ist noch vorhanden vom 19.Juli 1804 und betrifft einen Uhrenbezug aus Hamburg.
Hinrich machte als Meisterstück eine Dielenuhr, die noch im Besitze meines Neffen des Buchdruckers Georg Struve in Eutin ist. ( Georg Struve hat die Buchdruckerei jetzt in der vierten Generation. Der bei ihm erscheinende in ganz Schleswig-Holstein bekannte Kalender ( Eutiner Klenner) mit den unbedingt zuverlässigen Wettervoraussagen für das ganze Jahr erscheint im 194. Jahrgang).
Hinrich kaufte sich ein kleines Haus in der Hinterstraße, jetzt Stolbergstraße und eröffnete ein kleines Geschäft. Er heiratete bald, seine erste Frau starb früh, hinterließ ihm eine Tochter, die einen Lehrer Albrecht in Arfrade heiratete, dann heiratete er Christiana Rosamunde Hofmann, Tochter eines Schlossverwalters aus Königsbrück bei Dresden. Diese und ihre Schwester waren mit der Familie des Grafen Stolberg aus Dresden nach Eutin gekommen.
( Die andere Schwester verheiratete sich mit dem Urgroßvater von Georg Struve ).

Aus der zweiten Ehe stammten 8 Kinder, 5 Knaben und 3 Mädchen, die alle in dem kleinen Häuschen mit den sehr beschränkten Räumen gesund und fröhlich heranwuchsen; alle waren stattliche Leute, das kleine Geschäft und Großvaters Fleiß ernährten alle gut, sie durften alle eine gute Schule besuchen und lernen, was damals geboten wurde. Großvater selbst war ein tüchtiger Rechner. Als seine Söhne längst dem väterlichen Hause entwachsen waren und ihren Vater nicht mehr brauchten, kamen noch andere Schüler zu ihm und baten um seine Hilfe, besonders bei schwierigen Aufgaben. Unser Großvater Ohrt war stets gesund, lebte unendlich solide und hat nie geraucht. Er wurde 85 Jahre alt und betrieb sein Geschäft bis zum
letzen Lebenstage. Es war noch ein großer Teil zur Ausbesserung übergebener Uhren vorhanden und abzuliefern, als Großvater die Augen für immer schloss. Er war ein Frühaufsteher; am Morgen, wenn noch ganz Eutin schlief, ging er schon vor seiner Tür auf und ab, begleitet von seinem großen grauen Kater, der ihm wie ein Hund folgte. Er war ein ziemlich großer, hagerer Mann und hatte ein lebhaftes Auge. Er las noch im hohen Alter meistens ohne Brille, selbst bei damaligem Lampenlicht.
Das großväterliche Haus steht noch, hat aber einen Aufbau erhalten. Es trägt die No.... Stolbergstraße. Im Jahre 1855 machte Großvater mit meiner ältesten Schwester eine kleine Reise nach Neumünster. Sie fuhren zuerst mit der Post nach Kiel und von dort mit der Eisenbahn, die sie noch nie gesehen hatten, nach Neumünster. Beide waren froh, als sie ihr Ziel erreicht hatten; die schnelle Fahrt kam beiden recht gefährlich und unsicher vor! In Kiel hatte Großvater jahrelang als Gehilfe gearbeitet, wo er gelernt hat ist nicht überliefert. Damit bin ich am Ende meiner Aufzeichnungen über den Großvater Ohrt.

Seine Frau Rosamunde hat ihn schon im Jahre 1843 verlassen, er starb 1862, war also 19 Jahre Witwer. Wie schon berichtet, hatte er neun Kinder, das jüngste war meine Mutter : Johanna Ohrt. Wir waren dann wieder neun Kinder. Das war doch wirklich ein achtenswertes Schaffen !

Von den zwei Söhne des Großvaters Ohrt möchte ich aber noch kurz berichten :
Der vierte Sohn, Hermann Ohrt, besonders gut begabt, wurde zum Studium bestimmt und ging nach Marburg. Ein kleines Stipendium war von seinen Lehrern ausgewirkt, sein Vater gab, was irgend möglich war. Ein recht flottes Studentenleben hatte aber wohl mehr Geld verschlungen als vorhanden war, das Examen ließ auf sich warten.
Onkel Hermann verbrachte im Jahre 1848 seine Ferien in Eutin und eines schönen Tages war der Herr Studiosus spurlos verschwunden. Meine Mutter und meine älteste Schwester suchten ihn bei allen Bekannten und erfuhren schließlich dass er, mit Säbel und Büchse ausgerüstet, nach Rendsburg gegangen sei, um sich der Schleswig-Holsteinischen Armee als Freiwilliger zur Verfügung zu stellen. Sein Kriegsruhm ging aber nicht weit, weil schon nach dem ersten Gefecht bei Bau der junge Held gefangen genommen wurde. Er saß mit vielen Schicksalsgenossen monatelang als Kriegsgefangener auf der „Dronning Maria". Nach dem Friedensschluss wurde auch er befreit. Am Abend seiner Rückkehr brachte man dem tapferen Vaterlandsverteidiger einen Fackelzug. Er selbst hielt aus dem Giebel des väterlichen Hauses eine zündende Dankesrede, die mit brausenden Hochrufen beantwortet wurde.

Hermann Ohrt gab das Studium auf und ging nach America mit der Familie eines Rechtsanwalts Burmeister. Er bewirtschaftete mit denen zusammen eine Farm, wurde später Lehrer und dann Rechtsanwalt in Burlington im Staate Iowa.
Als solcher wurde er dreimal für bestimmte Jahre zum Friedensrichter gewählt, eine hohe Würde. Später betrieb er zusammen mit einem anderen Herrn ein bedeutendes Notariat. Er heiratete die Witwe Burmeisters, hatte auch einen Sohn, auch Hermann genannt und ist als reicher Mann gestorben.
Seine Frau war die Tochter eines Müllers Bornholt in Barmstedt.

Der älteste Sohn von Großvater Ohrt, G e o r g Ohrt wurde Kaufmann und ließ sich in Hamburg als Hausmakler, nach einer anderen Mitteilung als Tabakmakler, nieder, er heiratete eine geborene Isleiber. Georg Ohrt starb schon im Jahre 1854 in Hamburg und hinterließ seine Frau und zwei Kinder Ida und Alfred. Und dieser Alfred war zu unser aller Freude noch mit seinen 84 Jahren auf dem ersten Ohrt Familientag am 15.September 1934 in Eutin. Er erlernte das Tischlerhandwerk und übernahm später die Stelle eines Aufsehers der Rendsburger Strafanstalt. Er lebt jetzt in Belzig in der Mark bei seinem Schwiegersohn, dem Eisenbahnobersekretär a. D. Gottlieb Seeger und dessen Sohn Werner Seeger, Rechtsanwalt in Belzig.

Lasst mich zum Schluss noch in Dankbarkeit und Verehrung der jüngsten Tochter von Großvater Ohrt : J o h a n n a Ohrt, meiner lieben Mutter, gedenken. Sie heiratete mit 22 Jahren meinen Vater, den Goldschmied Friedrich Walchholtz in Eutin, der schon 42 Jahre alt war und schenkte ihm 9 Kinder, mich als den achten. Erst kamen vier Töchter, dann 4 Söhne, dann noch eine Tochter, als einzige klein gestorben. Wir acht sind alle im Leben gut vorangekommen, denn auch unsere Eltern haben uns die guten Schulen in Eutin besuchen lassen, was ihnen bei ihrem kleinen Geschäft (in Eutin) , wo Vater noch jeden Löffel selbst schmiedete, der heute in Fabriken hergestellt wird, sicher oft nicht leicht gewesen ist. Und ich schließe diesen Bericht, der länger geworden ist als beabsichtigt, in Dankbarkeit und Verehrung für meine lieben Eltern und deren Vorfahren.

Ein kräftiges Wachsen, Blühen und Gedeihen dem Stamme Ohrt !

Gustav Wachholtz